Offener Brief an die Enquete-Kommission „Corona“ des Deutschen Bundestags
Die im Juli eingesetzte Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ des Deutschen Bundestages nahm am 8. September ihre Arbeit auf. Sie besteht aus 28 Mitgliedern, darunter 14 Bundestagsabgeordnete und 14 Sachverständige. Die Kommission hat den Auftrag, die «Corona-Pandemie umfassend aufzuarbeiten und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse zu ziehen». Laut Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sei Deutschland «vergleichsweise gut durch diese Zeit gekommen». Ihrer Meinung nach waren «viele der Einschränkungen notwendig». Als Herausgeber des Buches „Vereinnahmte Wissenschaft – Die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts” habe ich allen Mitgliedern einen offenen Brief geschrieben, um die mit der Aufarbeitung betrauten Personen über die Erkenntnisse aus den RKI-Protokollen zu informieren. Der Brief bezieht sich auf Aspekte der im Antrag formulierten Ziele der Kommission und setzt diese mit Aussagen aus den RKI-Protokollen in Zusammenhang. Dadurch haben die Mitglieder die Möglichkeit, den Kenntnisstand der Fachleute der zuständigen Bundesbehörde in die Aufarbeitung der Pandemiepolitik einzubeziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wende mich an Sie, da Sie in den kommenden Jahren die Pandemiepolitik beleuchten und maßgeblich dazu beitragen können, dieses historische Geschehen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Schäden und Verwerfungen aufzuarbeiten. Seit mehr als fünf Jahren befasse ich mich mit diesem Themengebiet, habe Dutzende Experteninterviews geführt, Artikel für verschiedene Magazine und Zeitungen verfasst und kürzlich ein Buch über die Corona-Protokolle des Robert-Koch-Instituts herausgegeben. Im Folgenden möchte ich auf einige Aspekte der im Antrag für die Kommission formulierten Ziele eingehen, um Sie insbesondere auf die Bedeutung der Erkenntnisse der Experten des Robert-Koch-Instituts hinzuweisen.
Im Antrag für die Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse” heißt es: „Dem Deutschen Bundestag ist bewusst, dass alle Maßnahmen und Entscheidungen immer nur vor dem Hintergrund des Informationsstands zum betreffenden Zeitpunkt bewertet werden können. Dies wird die Enquete-Kommission in ihrer Arbeit leiten.”
Bezüglich dieser Feststellung erscheint ein Blick auf das von staatlicher Seite mit der Bündelung des Kenntnisstandes betraute Gremium unerlässlich. Der dem Gesundheitsministerium unterstehende, also weisungsgebundene, Corona-Krisenstab des Robert-Koch-Instituts traf sich während der Pandemie regelmäßig, um den aktuellen Sachstand rund um das Corona-Virus zusammenzutragen. Gerichte und die Politik beriefen sich regelmäßig auf die Bewertungen des RKI, da diese als wissenschaftsbasiert galten. In Pressekonferenzen und Interviews trat jedoch stets nur die RKI-Leitung in Form von Dr. Wieler und Dr. Schaade in Erscheinung, während die Fachexperten im Hintergrund arbeiteten und in den Krisenstabssitzungen relevantes Wissen rund um das Corona-Virus zusammentrugen.
Deren bisher unbekannte Ansichten sind seit mehr als einem Jahr in den RKI-Protokollen nachzulesen. Die mehr als 4.000 Seiten starken Protokolle sowie 10 GB Datenmaterial wurden anfänglich in Teilen und stark geschwärzt freigegeben und dann schließlich vollständig und ungeschwärzt von einem Whistleblower bzw. einer Whistleblowerin der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es gibt wohl kaum eine Dokumentensammlung, die den „Informationsstand zum betreffenden Zeitpunkt” bezüglich Corona besser abbildet als die Ergebnisse der Expertensitzungen dieses Krisenstabes.
Zu diesem Kenntnisstand gehören brisante Einschätzungen, die der Öffentlichkeit – und vielleicht auch Ihnen – weitgehend unbekannt sein könnten. Ein Abgleich dieser mit den Äußerungen von Politikern sowie von Wissenschaftlern, die die Politik berieten, und den beschlossenen Corona-Maßnahmen ermöglicht eine Bewertung, ob das Corona-Management tatsächlich „der Wissenschaft” folgte.
Einige sehr bedeutsame Aspekte sollen hier bereits kurz erwähnt werden.
Der RKI-Krisenstab wusste beispielsweise, dass das laienhafte Tragen von Masken in der Öffentlichkeit sinnlos und potenziell gefährlich ist.
Dem Krisenstab war seit Februar 2020 bekannt, dass Kinder kaum gefährdet sind und nur untergeordnet am Infektionsgeschehen beteiligt sind.
Im RKI sprach man sich gegen generelle Schulschließungen aus.
Das RKI sprach sich eindeutig gegen das massenhafte und anlasslose Testen gesunder Personen aus, da die dadurch erhobenen Zahlen nicht aussagekräftig sind.
Im RKI wusste man, dass die Corona-Impfkampagne teilweise auf der Vorspiegelung falscher Tatsachen beruhte und vor allem politisch motiviert war.
Im RKI stellte man fest, dass sich die angebliche Wirksamkeit der nicht- pharmazeutischen Interventionen (Corona-Maßnahmen) mit RKI-Daten nicht belegen lässt.
Von ganz besonderer Bedeutung ist die Einschätzung des RKI hinsichtlich des Risikos, welches von Corona für die Allgemeinheit ausging. Diese erstmals Mitte März 2020 durchgeführte Risiko-Hochstufung ist nämlich Grundlage für jegliche Verhältnismäßigkeitsprüfungen, die auch Sie in der Kommission vornehmen wollen. In den Protokollen finden sich zur Gefährlichkeit von SARS-CoV-2 u.a. folgende Aussagen:
«Sterbegeschehen: Leicht unter dem Durchschnitt der Vorjahre, ggf. durch Ausbleiben der Influenzawelle; es ist keine Übersterblichkeit sichtbar».
«Covid-19 sollte nicht mit Influenza verglichen werden. Bei einer normalen Influenzawelle versterben mehr Leute, jedoch ist das Risiko durch das neue Virus aus anderen Gründen bedenklicher.»
Die RKI-Protokolle belegen, dass die Risikoeinschätzungen, die laut RKI nach klaren Kriterien vorzunehmen sind, politisch bestimmt wurden. So heißt es in den Protokollen: «Risikobewertung: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist abhängig von der Zustimmung […] des BMG, voraussichtlich nicht vor der MPK am 16.02.2022.” Eine Herabstufung vorher würde möglicherweise als Deeskalationssignal interpretiert, daher politisch nicht gewünscht.»
Übrigens am selben Tag, an dem das RKI das Risiko Mitte März 2020 hochstufte, veröffentlichte einer der weltweit bedeutendsten Epidemiologen, der Stanford-Professor John Ioannidis, einen Artikel mit dem Titel „Ein Fiasko im Entstehen“. Er war der Meinung, dass wir während der Ausbreitung der „Coronavirus-Pandemie Entscheidungen ohne verlässliche Daten treffen”. Fünf Jahre später habe ich ihn persönlich getroffen und interviewt, da er in einem Team von acht Wissenschaftlern die StopptCovid-Studie des RKI begutachtet hatte. Er kam zu dem sehr bedeutsamen Schluss: «Für keine der Maßnahmen ergeben sich belastbare Effekte.» Die Corona-Maßnahmen hatten also keinen signifikanten Effekt auf die Ausbreitung des Virus. Das wurde auch in Meta-Studien, die viele Länder betrafen, nachgewiesen. Ein Effekt auf die Belastung des Gesundheitssystems, welches während des gesamten Corona-Geschehens nie an seine Belastungsgrenze kam, ist ebenfalls nicht nachzuweisen.
Die Abkehr von der Wissenschaft
Dies sind nur einige wenige dem Narrativ einer gelungenen Pandemiepolitik widersprechende Kernerkenntnisse aus den RKI-Protokollen, die für eine Aufklärung des Geschehens unerlässlich sind. Viele dieser Erkenntnisse fanden jedoch nicht den Weg in die Öffentlichkeit, da das RKI massiv unter politischem Druck stand und von der Politik vereinnahmt wurde. Die Experten im Krisenstab kommen daher selbst zu dem Schluss: «Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach, besteht das Risiko, dass politische Entscheidungsträger selbst Indikatoren entwickeln und/oder das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbinden.“ Die Experten im RKI erkennen: „Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.»
Der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat jedoch im Mai 2024 Folgendes behauptet: »Es gab keine politischen Weisungen…Das Robert Koch-Institut ist nicht weisungsgebunden, in die wissenschaftlichen Bewertungen des Instituts mischt sich die Politik nicht ein, ich auch nicht«
Das Resultat der Abkehr von der Wissenschaft ist unter anderem an zwei Säulen der Pandemiepolitik deutlich zu erkennen. Erstens sind laut RKI die „Inzidenz-Grenzwerte, [an denen die Erlaubnis zur Ausübung von Grundrechten festgemacht wurde], willkürliche politische Werte”.
Wolfgang Kubicki fasste die Vereinnahmung der Wissenschaft durch die Politik in einer lesenswerten Stellungnahme zu den RKI-Protokollen wie folgt zusammen: „«Ich muss gestehen: Ich hätte zuvor nicht geglaubt, dass in unserem gewaltengegliederten System ein solcher Vorgang möglich ist. Ein Minister, der offensichtlich eigenständig – gewissermaßen par ordre du mufti – die wissenschaftliche Grundlage für Grundrechtseinschränkungen beschließt, war vorher nicht in meiner Vorstellungswelt. […] Dass politische Entscheidungen von einer solchen Tragweite derart aus einem Ministerium beeinflusst werden, halte ich für einen Skandal.»
Die Corona-Impfkampagne
Zweitens und bezüglich des im Antrag festgehaltenen Vorhabens, die „Impfstoffentwicklung, -beschaffung, -verteilung und Durchführung der Impfkampagne” zu beleuchten, erscheint dieses Zitat aus den RKI-Protokollen angebracht: «Der politische Entschluss ist schon längst gefasst: Oberste Priorität ist es, so viele Leute wie möglich so schnell wie möglich zu impfen.»
Die Protokolle zeigen immer wieder, dass die Politik mehrfach Impfkampagnen plante, obwohl die zuständigen Fachleute und Fachgesellschaften dagegen waren. Ein erschütterndes Beispiel ist: «Empfehlungen zu Booster stellen sich als komplex dar … v. a. von Politik und Pfizer gefordert, bisher nicht ausreichend Daten vorhanden.»
Die nicht vorhandene Pandemie der Ungeimpften
Enorm wichtig ist dabei auch, dass alle Einschränkungen der Freiheitsrechte ungeimpfter Menschen – bis hin zur mit Fremdschutz begründeten einrichtungsbezogenen Impfpflicht oder der Abstimmung über eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag – auf den Prüfstand müssen. Denn die neuartigen mRNA-Impfungen wurden in der Zulassung nie auf Fremdschutz untersucht und laut der Europäischen Arzneimittelagentur lagen dazu auch keine Daten vor.
Dem offiziellen Bewertungsbericht der EMA für den Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer vom 21. Dezember 2020 ist bezüglich der Wirksamkeit Folgendes zu entnehmen: „Es ist wahrscheinlich, dass der Impfstoff auch vor schweren Corona-Erkrankungen schützt, obwohl diese Ereignisse in der Studie selten auftraten und eine statistisch sichere Schlussfolgerung nicht gezogen werden kann. Es ist derzeit nicht bekannt, ob der Impfstoff vor asymptomatischen Infektionen schützt oder welche Auswirkungen er auf die Virusübertragung hat. Die Dauer des Schutzes ist nicht bekannt.”
Im August 2021 erfährt man im Corona-Krisenstab des BMI und BMG, dass «sowohl symptomatische Infektionen als auch die Viruslast bei Geimpften genauso hoch seien wie bei Ungeimpften». Im September 2021 stellten die Experten des RKI fest: «Die Viruslast im oberen Respirationstrakt ist bei Geimpften und Ungeimpften nicht wesentlich anders …»
Einer der führenden Immunologen Deutschlands, Prof. Andreas Radbruch, den ich ausführlich interviewt habe, beschrieb die Verlautbarungen zum Thema Fremdschutz wie folgt: «Zum Fremdschutz haben sich vorwiegend immunologische Dilettanten geäußert.»
Bis heute verweigert das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – also die zuständige Behörde für die Überwachung von Impfstoffen – die Herausgabe der Daten der SafeVac-App 2.0, die explizit für das Monitoring der Nebenwirkungen der mRNA-Impfungen entwickelt wurde. Die Studie ist seit zwei Jahren abgeschlossen, doch trotz der daraus bisher hervorgehenden Alarmsignale hat das PEI weder einen Zwischenbericht noch die Daten der Erhebung veröffentlicht. In Anlehnung an den Prozess im RKI laufen auch hier Gerichtsverfahren, um Einsicht in relevante Protokolle zu erhalten, da das PEI Anfragen gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz nicht fristgerecht beantwortet.
Bürgerdialog
Im Antrag der Enquete-Kommission heißt es weiter: „Eine umfassende, die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger einbeziehende und wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Pandemie sowie des staatlichen und gesellschaftlichen Handelns während dieser Zeit ist unerlässlich, um belastbare Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.” Dieses Ansinnen ist enorm bedeutsam. Wichtig dabei ist, dass auch diejenigen zu Wort kommen, die durch die Pandemiepolitik viel Leid erfahren haben. Dazu zählen Menschen, die sich vor allem aufgrund von Druck oder Pflichten impfen ließen, Masken trugen, Abstand hielten und Tests absolvierten. Ebenso sind Impfgeschädigte, Menschen, die aufgrund der Impfpflicht oder 2G-Regelungen ihren Job verloren haben, Menschen, die aufgrund des Lockdowns ihre berufliche Existenz verloren haben, sowie Kinder und Jugendliche, die wichtige Jahre ihrer Jugend mit medizinisch unbegründeten Einschränkungen leben mussten, die teilweise irreversible Schäden angerichtet haben, einzuladen. Ich persönlich stehe gerne für ein Hintergrundgespräch bezüglich meiner mehr als fünf Jahre andauernden Recherche bereit.
Vertrauensverlust
Richtigerweise wird im Antrag die bisher auf Bundesebene verhinderte Aufarbeitung herausgestellt: «Dennoch haben viele Menschen den Eindruck, dass die Corona-Pandemie, ihre Folgen und die damals getroffenen staatlichen Maßnahmen nicht ausreichend aufgearbeitet sind.»
Dieser Eindruck hat in den letzten Jahren zu einem stetig wachsenden Misstrauen gegenüber den Verantwortlichen der Pandemiepolitik geführt. Schließlich waren fast alle Parteien zu einem bestimmten Zeitpunkt maßgeblich an den historischen Einschränkungen der Grundrechte und den damit verbundenen, erwartbaren immensen Schäden beteiligt. Eine schonungslose, fernab von Parteiinteressen geleitete Aufarbeitung ist also der einzige Weg für die betroffenen Parteien, einen vielleicht noch möglichen Versöhnungsprozess in Gang zu setzen. Angesichts der Tragweite des Geschehens wäre es moralisch verwerflich, Karriere- oder Parteiinteressen über den dringend notwendigen Aufarbeitungsprozess zu stellen. Dies würde auch bedeuten, dass die Mitglieder der Kommission eigene Aussagen aus der Vergangenheit auf den Prüfstand stellen und mit den Erkenntnissen der Experten des RKI abgleichen. Dabei würde manchmal klar werden, dass die stark diffamierten Kritiker der Corona-Maßnahmen die Lage teilweise ähnlich einschätzten wie die Fachleute der zuständigen Behörde.
Ein Teilaspekt der Kommission soll laut Antrag «Aspekte der Vertrauensbildung in Institutionen und Wissenschaft» sein.
Eine oberflächliche Aufarbeitung, die zentrale Fragen ausklammert und kritische Stimmen ausgrenzt, kann und wird jedoch nur dazu führen, dass sich die Kritiker der Maßnahmen vielleicht endgültig von der Idee abwenden, dass „die Politik”, die all das zu verantworten hat, überhaupt eine sorgfältige Aufarbeitung anstrebt. Dies wäre auch ein Verrat an der Wissenschaft, weil von Anfang an hochqualifizierte kritische Stimmen schlichtweg nicht gehört und sogar aktiv ausgegrenzt wurden. Der bereits erwähnte John Ioannidis erzählte mir, dass sich weltweit führende Epidemiologen zum Thema Corona nicht öffentlich zu Wort meldeten, da dies das Ende ihrer Karriere bedeutet hätte. Ioannidis selbst erhielt regelmäßig Morddrohungen, weil er anhand einer Seroprävalenz-Studie zeigte, dass die Infektionssterblichkeitsrate (IFR) nicht besorgniserregend hoch ist und nur bestimmte verletzliche Gruppen stark betroffen sind. All diese Perspektiven müssen Teil der Debatte sein, um das Geschehen verstehen und bewerten zu können.
Für die Zurückgewinnung von Vertrauen ist es nicht hilfreich, dass die Sitzungen der Kommission „in Abweichung zu § 73 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages […] ihre nichtöffentlichen Sitzungen nur auf Beschluss veröffentlichen”. Transparenz sieht anders aus.
Rechtliches
Ein Ziel der Kommission ist es, „rechtliche Grundlagen, Kompetenzverteilung und getroffene Entscheidungen zu hinterfragen, Verantwortlichkeiten klar zu benennen und aus ggf. identifizierten Fehlentscheidungen Schlüsse zu ziehen, wie diese künftig vermieden werden können”.
Hier sei vor allem auf die politische Einflussnahme auf das Robert-Koch-Institut hingewiesen. Während des Corona-Geschehens betonten Politiker und Politikerinnen die Bedeutung der Wissenschaft, der es zu folgen galt. Die bereits erwähnten Protokolle des Krisenstabs zeigen jedoch einwandfrei, dass die Pandemiepolitik mehrheitlich nicht auf Wissenschaft beruhte, sondern auf politischen Wunsch hin angeordnet wurde. Ein Zitat aus den Protokollen verdeutlicht dies: «Ein breiter Abstimmungsprozess mit verschiedenen Fachgremien führte zu einem anderen Ergebnis als der Beschluss der politischen Gremien. Dies sollte bei einer zukünftigen Veröffentlichung klar kommuniziert werden: Es handelt sich nicht mehr um eine rein fachliche Empfehlung des RKI, sondern um Beschlüsse der GMK/BMG/politischen Ebene.»
In einer Stellungnahme zur Politikberatung teilt das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V. mit: «Neben der Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme ist insbesondere unabdinglich, dass die Empfehlungen aus wissenschaftlichen Expertengremien nachvollziehbar und transparent gestaltet sind. Dabei müssen auch kontroverse wissenschaftliche Positionen und Unsicherheiten offen kommuniziert werden.»
Grundsätzlich ist es wenig verwunderlich, dass die Politik entscheidet. Während des Corona-Geschehens wurde jedoch die Bevölkerung – und vielleicht auch die Entscheidungsträger selbst – getäuscht, indem behauptet wurde, ihre Entscheidungen basierten auf wissenschaftlicher Expertise. Die RKI-Protokolle widerlegen diese Behauptung. Auf sie stützten sich auch Richterinnen und Richter, als sie die Verhältnismäßigkeit der schweren Grundrechtseingriffe zu bewerten hatten und diese mehrheitlich absegneten. Vielleicht war auch ihnen nicht klar, dass die Wissenschaftler im RKI andere Ansichten vertraten als die Politik.
Der schwedische Sonderweg
Ein weiteres Vorhaben der Kommission ist es, «die staatlichen Maßnahmen und die Verläufe und Folgen der Corona-Pandemie in Deutschland in Beziehung zum Vorgehen in anderen Ländern zu setzen». Hier ist vor allem der Blick auf ein europäisches Land zu richten, welches ohne die Einschränkung der Grundrechte und die massiven Schäden an Kindern und Jugendlichen auskam und trotzdem bessere Ergebnisse hinsichtlich Gesamtsterblichkeit und Lebenserwartung erzielte: Schweden.
Die „Frankfurter Rundschau” berichtete darüber wie folgt: «Während der Pandemie sind in 18 europäischen Ländern insgesamt 16,8 Millionen Lebensjahre verloren gegangen, 2 Millionen davon in Deutschland. Die wenigsten verlorenen Lebensjahre pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner verzeichnete Schweden.» Wir sind also keineswegs gut durch die Pandemie gekommen und der Verlust dieser Lebensjahre ist den Corona-Maßnahmen zuzuschreiben.
Schweden handelte hinsichtlich Schulschließungen entsprechend den RKI-Protokollen. Ende Februar 2020 hielt man dort fest, dass Kinder sehr selten schwer erkranken und bei der Verbreitung eine untergeordnete Rolle spielen. Basierend auf denselben Daten entschied sich Schweden dafür, keine generellen Schulschließungen anzuordnen.
Auch das RKI war gegen generelle Schulschließungen. Schon im April 2020 steht in den Protokollen: «Schulschließungen haben vermutlich keinen großen Einfluss auf die Kontrolle der Epidemie gehabt.» Sechs Monate später: «Schulen sind eher nicht die treibenden Quellen, und Schulschließungen würden die Lage wohl noch eher verschärfen,…»
Aber trotz dieser Erkenntnisse wurden Mitte Dezember 2020 abermals bundesweit Schulen und Kitas geschlossen. Deutschland wird dann mit Polen zusammen die längsten Schulschließungen in Europa anordnen und damit immense und lang anhaltende psychische Schäden verursachen.
Kommunikation
Im Hinblick auf die Zielsetzung „Prozesse zur Risikobewertung und -kommunikation durch nationale und internationale Institutionen” sei eindrücklich darauf hingewiesen, dass das Bundesinnenministerium in einem auch „Panikpapier” genannten Strategiepapier vorschlug, die Bevölkerung in eine „Schockstarre” zu versetzen, da die Daten und Zahlen rund um das Coronavirus keine Panik rechtfertigten.
In einem RKI-Konzept zum Umgang mit „epidemisch bedeutsamen Lagen” aus dem Oktober 2019 heißt es jedoch: «Ängste der Bevölkerung sollten offen angesprochen und Unsicherheiten und Risiken nicht verschwiegen werden.” Weiter heißt es: „Vermeidung von Überreaktionen in der Bevölkerung, die zu unnötigen Einschränkungen in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung führen könnten.»
Diese angstauslösende Kommunikationsweise sollte auch Teil der Aufarbeitung sein. Laut Antrag sieht die Kommission nämlich vor, „Kommunikationsstrategien staatlicher und wissenschaftlicher Akteure und den Umgang mit wissenschaftlicher Unsicherheit und Desinformation” zu beleuchten.
Einige Punkte, bei denen es sich um Fehlinformationen von staatlicher Seite handelte, sind:
Es gäbe keine bereits vorhandene Immunität in der Bevölkerung
Die nicht-pharmazeutischen Interventionen verlangsamen die Ausbreitung des Virus.
Die Kritiker der Corona-Maßnahmen
Ein Untersuchungsgegenstand der Kommission thematisiert die „Einbindung der Opposition in Krisenzeiten”. Hier verbirgt sich vielleicht einer der wichtigsten Knackpunkte und folgenreichsten Fehler der Pandemiepolitik: die massive Ausgrenzung und Abwertung andersdenkender Fachleute. Die Kommission hat nun die Gelegenheit, Dissens – wie in der Wissenschaft üblich – als Bestandteil des Erkenntnisprozesses zu verstehen und zu honorieren, statt abweichende Einschätzungen als wissenschaftsfeindlich oder Verschwörungstheorie darzustellen. Letzteres hat und wird dazu führen, dass die Qualität der Entscheidungen in Krisenzeiten enorm leidet.
Das Kindeswohl
Ein hervorgehobener Anspruch an die Kommission sind «insbesondere die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche”. Die Corona-Protokolle des RKI belegen eindeutig, dass die vorliegende Evidenz seit Februar 2020 dafür sprach, dass Kinder weder signifikant gefährdet waren noch relevant am Pandemiegeschehen teilnahmen.
Im Juni 2021 dann erneut die Bestätigung in den RKI-Protokollen: «Kinder haben ein, im Vgl. zu anderen Atemwegserkrankungen, geringes Risiko für schwere Krankheitsverläufe». Es müssten demnach alle Maßnahmen gegenüber Kindern und Jugendlichen erneut auf Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Warum hat sich die Ministerpräsidentenkonferenz auf Empfehlung von Virologen plötzlich doch für Schulschließungen entschieden? Warum wurden die Experten des RKI nicht gefragt? Wer trägt dafür die Verantwortung?
Man hätte, bitte dies sacken zu lassen, wie Schweden vorgehen und die Kinder größtenteils in Ruhe lassen können. Die für diese Entscheidung notwendigen medizinischen Daten lagen seit Ende Februar 2020 vor und bestätigten sich dann über die Jahre. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen waren eine systematische, jahrelange Kindeswohlgefährdung, die weder notwendig noch medizinisch begründet war.
Bis heute hat kein Politiker diese Tatsache ausgesprochen und dafür Verantwortung übernommen. Laut geltendem Bundesgesetz und UN-Kinderrechtskonvention ist das Kindeswohl bei politischen Entscheidungen vorrangig zu beachten. Corona war und das deutete sich seit Februar 2020 an im Gegensatz zu den Corona-Maßnahmen keine außergewöhnliche Gefahr für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Laut dem Kindheitswissenschaftler Prof. Dr. Michael Klundt sind «Bund und Länder ihrer Verpflichtung zu Schutz und Fürsorge für 13 Millionen Kinder nicht nachgekommen, sondern hätten Kinder „wie Objekte behandelt“. Das sei an sich bereits eine „schwere Form der Kindeswohlgefährdung“.»
Fazit
Es ist mir ein Anliegen, Ihnen wichtige Erkenntnisse aus den RKI-Protokollen im Zusammenhang mit der Pandemiepolitik in gebündelter Form darzulegen. Der Diskurs ist leider größtenteils verhärtet, es haben sich ideologische Lager gebildet und der Erkenntnisgewinn steht dabei hinten an. Dialoge zwischen Kritikern und Befürwortern der Maßnahmen finden praktisch nicht statt. Interviewanfragen meinerseits wurden zu 100 % abgelehnt oder gar nicht erst beantwortet.
Schließlich waren alle Beteiligten auch Akteure im Geschehen, haben Entscheidungen getroffen, Forderungen aufgestellt oder Äußerungen getätigt, die aus heutiger Sicht eventuell unverhältnismäßig waren. Das ist wahrscheinlich der springende Punkt. Ein unvoreingenommener Blick auf das Geschehen ist daher fast unmöglich, da eventuelle Fehleinschätzungen eine Mitverantwortung für den verursachten Schaden nach sich ziehen würden.
Nun stellt sich die Frage, wie viele Mitglieder der Kommission bereit sind, diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen. Es wäre nachvollziehbar, wenn die Kommission weiterhin das Narrativ der größtenteils gelungenen Pandemiepolitik verfolgen würde. Dadurch würde sie jedoch potenziell dem Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) unterliegen. Dabei werden Informationen, die die vorherrschende Meinung infrage stellen, ausgeblendet oder abgewehrt, während Einschätzungen, die die eigene Sicht stützen, hervorgehoben werden. Keine Person, egal ob Kritiker oder Befürworter der Maßnahmen, ist vor dieser Verzerrung gefeit. Genau dafür dienen offene und kontroverse Debatten, die alle Perspektiven einbeziehen. Dies fand in den letzten fünf Jahren jedoch fast ausnahmslos nicht statt. Sie können das ändern.
In meinem Brief versuche ich darzulegen, dass es – wie auch in den Plänen Ihrer Kommission vorgesehen – darum geht, den während des Geschehens herrschenden Stand der Wissenschaft zu beleuchten. Anhand der weltweit einzigartigen Möglichkeit, direkt in die Protokolle der zuständigen Fachbehörde zu schauen, kann dieser Stand mit den politischen Entscheidungen abgeglichen und der Bevölkerung gegenüber transparent gemacht werden.
Dies wäre ein erster Schritt zur Aufarbeitung eines historischen Geschehens, in dessen Verlauf das Lesen von Büchern auf einer Parkbank kriminalisiert wurde, Kinder dazu gezwungen wurden, im Freien Masken zu tragen, Tausende alte Menschen allein sterben gelassen wurden und Menschen, die sich gegen neuartige medizinische Behandlungen entschieden hatten, massiv ausgegrenzt wurden. Über Jahre hinweg wurde die Würde des Menschen systematisch angetastet.
Es liegt nun in Ihrer Macht, die Rechtmäßigkeit dieser Entwürdigungen schonungslos zu prüfen, damit sich die Betroffenen und deren Leid ernst genommen und von Ihnen vertreten beziehungsweise gehört fühlen. Ein halbherziger Versuch, der die als erfolgreich propagierte Pandemiepolitik nicht ernsthaft infrage stellt, kann die Enttäuschung in Politik und Rechtsstaat verständlicherweise nur verstärken und die bereits entstandenen Gräben vertiefen. Jeder von Ihnen kann frei und nur dem Gewissen verpflichtet entscheiden, wie er diese einmalige Gelegenheit nutzen möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Bastian Barucker

